Multinationale Akademie Torgelow 2009

Vom sechsten bis zum 22. August stieg die Einwohnerzahl des kleinen Örtchens Torgelow am See (Mecklenburg-Vorpommern, in der Nähe von Waren an der Müritz) drastisch an. Rund 80 Teilnehmer aus den fünf Nationen Estland, Lettland, Litauen, Polen und Deutschland kamen dort zusammen, um an einer der Deutschen Schülerakademien teilzunehmen und ich war einer von ihnen.

Gegen Mitte des letzten Schulhalbjahres fragte mein Schulleiter bei mir an, ob ich Interesse hätte, an einer Schülerakademie teilzunehmen. Das war schon mal eine große Ehre, da jede Schule nur sehr wenige Schüler (maximal zwei oder so) vorschlagen darf. Ich war jedoch zuerst skeptisch, da es immerhin zweieinhalb Wochen meiner Sommerferien „kosten“ sollte und eine Eigenbeteiligung von etwas mehr als 500 Euro vorgesehen war (finanziell schwächere Familien hätten jedoch auch einen Antrag stellen können, dass Kosten erlassen werden – grundsätzlich soll die Teilnahme an einer Akademie vom Geldbeutel der Eltern unabhängig sein). Im Nachhinein schäme ich mich jedoch sogar für meine Skepsis.

Irgendwann im Mai bekam ich dann die Meldung, dass ich unter den Bewerbern einen Platz habe, welche ich zu dieser Zeit noch mit gemischten Gefühlen entgegen nahm. Ich durfte eine Wunschliste von Kursen an verschiedenen Akademien aufstellen, eine Broschüre mit Kurs- und Akademiebeschreibungen wurde mir dafür zugesandt. Als Erstwunsch wählte ich mir den Kurs T.5 an der Multinationalen Akademie und Torgelow: „Wie TomTom tickt – vom Finden von Wegen in der Informatik“. Erfreulicherweise wurde mir dieser Erstwunsch auch erfüllt und so ging es nach meinem Sommerurlaub auf Usedom und den vier einzigen in den Ferien zu Hause verbrachten Tagen auf nach Torgelow.

Was ich dort erlebte, übertraf meine Erwartungen oder Hoffnungen bei weitem. Die erste Woche des Kurses brachte für mich zwar noch nicht viel neues Wissen mit sich, da ich als einer der wenigen im Kurs bereits Programmiererfahrung hatte und, wenn ich mich recht erinnere, als einziger einen Informatik Leistungskurs in der Schule besuchte (und besuchen konnte). So war mir die Programmiersprache Python und die Turingmaschine bereits bekannt. Mit der zweiten Woche spätestens jedoch, als es an die Algorithmen zum Finden von Wegen oder Spannbäumen in Graphen, begann auch für mich der Wissenszuwachs. Am Ende der schnell vergangenen zweieinhalb Wochen begannen wir noch mit verteilten Aufgaben eine einfache Navigationssoftware zu schreiben, die jedoch aus Zeitgründen nicht fertig wurde. Zur Kursarbeit gehörte auch das Erstellen einer wissenschaftlichen Dokumentation durch die Kursteilnehmer, in der wir unsere Arbeit und das Gelernte für die Nachwelt formulierten. Hoffentlich wird die Zusammenstellung unserer Torgelow-Dokus bald gedruckt und den Teilnehmern zugeschickt, ich freue mich bereits darauf.

Neben der Kursaktivität, die ungefähr oder gefühlt etwas weniger als die Hälfte des Tages ausmachte, gab es viele Freizeitaktivitäten, die von den Kurs- und Akademieleitern, aber vorrangig von den Teilnehmern selbst organisiert wurden, so genannte KüAs (kursübergreifende Angebote). Es gab ein vielseitiges Angebot, vom morgendlichen Joggen über Standardtanz, Theater, Volleyball, Basketball und Fußball bishin zu Joga und Vertrauensspielen sowie der ultimativen KüA: „Blödsinn um Mitternacht“. Auch die Musik kam nicht zu kurz: es spielten diverse Grüppchen als Bands, als mehr oder weniger „offizielle“ Band traten wir (also: ich war dabei) dann auch beim Abschlussabend auf, es gab einen Chor und die Chorleiterin und „Musikchefin“ der Akademie Natalija bot vielen Interessierten auf Anfrage Stimmbildung an, woran ich ebenfalls teilnahm. Das hatte ich meiner Meinung nach auch bitter nötig, da ich im Chor Tenor sang, während ich im Schulchor eigentlich im Bass 2 (also ganz unten) herumbrumme. Beim Konzert, das gegen Ende der Akademie gegeben wurde, sangen wir dann als Quintett (wir vier Männer der einen Stimmbildungsgruppe plus Natalija) „Ein Stündlein wohl vor Tag“ von Hugo Distler. Über die KüAs hinaus wussten wir Teilnehmer uns auch gut zu beschäftigen. Anfänglich mit Twister, später mit nächtlichem Schwimmen im See, oder Jamsessions in der Aula (das Foyer des Torgelower Internats – es standen dort mehrere Couchs und Tische herum, mehr brauche ich nicht zu sagen).

Viel zu schnell waren dann die zwei Wochen schon wieder um und eine meiner liebgewonnenen Freundinnen (im freundschaftlichen Sinne…) formulierte beim Abschied der meisten unserer ausländischen neuen Freunde sehr treffend: „Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an Leute gewöhnen kann.“ Die meisten kannten sich überhaupt nicht vor diesen zweieinhalb Wochen in Torgelow, ich zum Beispiel niemanden, und doch flossen Tränen bei der Verabschiedung. In der Zwischenzeit hatten sich sogar bereits mehrere Päärchen gebildet, auch über Landesgrenzen hinweg. Ich fing erst daheim an, den vielen neuen Gesichtern nachzutrauern. Nie zuvor in meinem Leben habe ich Personen so vermisst, von denen ich nicht sicher weiß, sie wiederzutreffen. Erste Absprachen auf ein Wiedersehen – vielleicht nächstes Jahr – sind zu meiner Freude bereits im Gange.

Ich kann jedem, dem seine Schule oder dem sich andersweitig die Möglichkeit bietet an einer deutschen Schülerakademie teilzunehmen, nur allerwärmstens empfehlen dieses Angebot wahrzunehmen. Es waren zwei der besten Wochen meines bisherigen Lebens und vom bezahlten Eigenbetrag war meiner Meinung nach kein Cent verschenkt.

Grüße an alle Mitakademiker!

2 Kommentare

  1. „Vom sechsten bis zum 22. August stieg die Einwohnerzahl des kleinen Örtchens Torgelow am See (Mecklenburg-Vorpommern, in der Nähe von Waren an der Müritz) drastisch an.“

    meinst Du? sind doch sonst über 250 Leute in dem Internat da 🙂

    nett dass Du uns einen Blogeintrag gewidmet hast. schönschön.
    lg
    P

  2. Hey Jayk!

    Danke für den wunderschönen Eintrag! Ich leide unter chronischer Nostalgie! Ich vermisse Euch alle soo sehr, dass ich mir schon ernsthaft Gedanken über das Nachtreffen mache!

    Ich geb die Hoffnung nicht auf, Euch alle irgendwann wieder zusehen! „Die neuen Gesichter“ bleiben mir ewig in Erinnerung!

    Lg
    Stephi

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